
Unternehmen ohne Führungspersonal – 10 Tipps zur Bewältigung der Krise
Viele kleinere und mittlere Unternehmen verfügen nur über eine geringe Führungsspitze. Oftmals handelt es sich dabei lediglich um den Geschäftsführer. Doch auch er kann einmal aus unterschiedlichen Gründen ausfallen. In den meisten KMU existiert für derartige Fälle kein ausgereifter Notfallplan. Aber wie gelingt es eigentlich, für solche Situationen vorzusorgen? Zumal nicht zuletzt die Corona-Krise deutlich aufgezeigt hat, wie wichtig eine vorausschauende und kompetente Führung des Unternehmens gerade in schwierigen, unübersichtlichen oder sogar existenzbedrohenden Lagen sein kann. Viele Betriebe sollten sich daher längst die Frage gestellt haben, wie gut sie eigentlich für einen weiteren Ernstfall aufgestellt sind. Wer das noch nicht getan hat, kann mit den zehn nachfolgenden Tipps die Geschicke in die optimale Richtung lenken.
Hilfe! Der Chef fällt aus!
Die Corona-Krise hatte insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen einen starken Einfluss. Quasi über Nacht mussten Lösungen für Probleme gefunden werden, die zuvor nicht absehbar waren. Und tatsächlich ist es in den meisten Fällen gelungen, mit der sinkenden Zahl an Aufträgen umzugehen oder die Anforderung zu meistern, die Angestellten vom Home Office aus arbeiten zu lassen. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn die Viren aggressiv zuschlagen und das Führungspersonal des Unternehmens infizieren? Mehr noch, wie sind die KMU für die Krise aufgestellt, wenn ausgerechnet ihr Chef für längere Zeit ausfällt? Denn in vielen Betrieben handelt es sich bei ihm um jene Person, die den Dreh- und Angelpunkt im Hause darstellt. Wie kann das Unternehmen also auch weiterhin florieren, wenn seine wichtigste Position über Wochen hinweg nicht besetzt ist?
Tipp 1. Alle Strukturen vorausschauend planen
Ein wesentliches Manko vieler KMU liegt gerade darin, alle Macht in der Geschäftsführung zu zentrieren. Gerade dort, wo es sich um familiengeführte Unternehmen handelt, können sich Strukturen über viele Jahrzehnte hinweg etabliert haben, ohne ein einziges Mal ernsthaft hinterfragt oder gar verändert zu werden. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise erleben viele Firmen heute aber, dass sie mit diesem Vorgehen für echte Notfälle nicht gewappnet sind. Das erste Erfordernis sollte folglich darin liegen, eine betriebsinterne Struktur aufzubauen, die es auch Personen in der zweiten Reihe erlaubt, in schwierigen Situationen die Angestellten zu leiten. Die Wahl wenigstens eines Stellvertreters gilt dafür als unablässig. Im Idealfalle wird die Macht sogar auf mehrere Personen aufgeteilt. Ein notwendiger Schritt, damit das Unternehmen in der Krise auch tatsächlich allen Eventualitäten trotzen kann und seine Marktstellung nicht verschlechtert wird.
Tipp 2. Kompetenzen für den Ernstfall vergeben
Das zuvor Gesagte sollte übrigens sehr umfangreich verstanden werden. So geht es natürlich nicht alleine darum, lediglich eine Person zu bestimmen, die im Krisenfall die Angestellten leitet und die den normalen Ablauf gewährleistet. Vielmehr müssen weiterhin Aufträge angenommen und ausgeführt, Waren bestellt, eventuell sogar Kredite beantragt und neue Mitarbeiter rekrutiert werden. Es ist somit darauf zu achten, dass ein zu benennender Stellvertreter die tatsächlichen und juristischen Befugnisse für die Durchführung solcher Schritte besitzt. Heißt konkret, dass im Vorfeld schon ein Auswahlprozess stattfinden muss, an dessen Ende eine oder mehrere Personen die notwendigen Kompetenzen erhalten – und das sogar schriftlich gesichert. Die ideale Lösung für eine solche Herausforderung wäre es allerdings, von vornherein einen Prokuristen für den Fall mit der Leitung des Unternehmens zu beauftragen, in dem der Chef tatsächlich einmal länger ausfällt.
Tipp 3. Die Bedeutung der Digitalisierung
Die Corona-Krise hat vielen KMU die Wichtigkeit der Digitalisierung vor Augen geführt. War es in den meisten Betrieben üblich, dass der Chef die elementarsten Akten, Verträge und sonstigen Dokumente in seinem Büro, einem Archiv oder sogar bei sich daheim aufbewahrt hat, so zeigt dieses Vorgehen nun abermals ein Manko auf: Wie soll ein zuvor bestimmter Stellvertreter in der Krise auf die dringend benötigten Unterlagen zugreifen können? Hier stellt sich folglich das Erfordernis ein, die Digitalisierung im Unternehmen künftig stärker voranzutreiben. Das kann einerseits bedeuten, dass die wichtigen Schriftstücke eingescannt werden und somit über den stationären Computer sowie über mobile Geräte jederzeit an jedem Ort für den Stellvertreter zur Verfügung stehen. Andererseits liegt die Herausforderung darin, auch alle benötigten Zugangsvoraussetzungen so zu gestalten, dass ein Zugriff tatsächlich erfolgen kann.
Tipp 4. Wichtiges von Belanglosem trennen
Die Realität des zuvor Gesagten sieht in den meisten Unternehmen übrigens anders aus: Hier können sich nach Jahren und Jahrzehnten ganze Massen an Ordnern, herumfliegenden Blättern und sonstigen Papieren ergeben. Ein Chaos, das nie behoben wurde. Wer soll da den Überblick behalten? Zumal im Krisenfalle die ebenso schnellen wie richtigen Entscheidungen der Schlüssel zum Erfolg sein dürften. Da sollte es einem Stellvertreter erspart bleiben, sich erst langwierig und mühsam durch einen Stapel Akten quälen zu müssen, um relevante Informationen zu finden. Im Rahmen der Digitalisierung und des Einscannens von Papieren muss daher eine Vorauswahl getroffen werden. So ist zu definieren, welche Dokumente für den Stellvertreter im Ernstfall besonders wichtig sind. Auf sie muss er ohne Zeitverlust zugreifen können. Weniger relevante Akten können dagegen entsprechend markiert oder sogar gänzlich aussortiert werden.
Tipp 5. Zugangsvoraussetzungen müssen vergeben werden
Die Wichtigkeit der Digitalisierung haben die meisten KMU in den letzten Jahren bereits verstanden. Viele Änderungen haben sich somit eingestellt. Nicht immer wurden dabei aber gute Entscheidungen getroffen, die in der Krise ein schnelles Eingreifen erlauben. Informationen, die auf dem Computer, auf mobilen Geräten oder auf Speichermedien hinterlegt sind, können ähnlich wie der Zugang zum Internet, zur Cloud oder zum Bankkonto mit Passwörtern versehen sein. Viele Chefs, die den Betrieb in Eigenregie führen, verwenden dabei natürlich eine Verschlüsselung, die einen persönlichen Bezug hat: Der Name der Ehefrau, der Hochzeitstag und ähnliche Ereignisse werden dafür verwendet. Sie aber sind für einen Stellvertreter im Ernstfall nicht klar erkennbar. Wichtig ist es somit, alle Passwörter und Zugangsberechtigungen zumindest für die befugten Personen transparent zu gestalten und das schnelle Öffnen verschlossener digitaler Bereiche zu erlauben.
Tipp 6. Für gleiche Voraussetzungen sorgen
Eine Krise ist in den seltensten Fällen so vorhersehbar, dass die temporäre Unterbrechung der Arbeit optimal geplant und jede Vorsorgemaßnahme ergriffen werden kann. Im Regelfall wird es dagegen so sein, dass noch im Vorfeld Verträge angebahnt, Verhandlungen über Kredite geführt oder erste Sichtungen der Bewerber für freie Stellen vorgenommen wurden. Üblicherweise Aufgaben, die der Chef in kleineren Unternehmen alleine durchführt – und von denen er nicht jeden Aspekt schriftlich dokumentiert. Für einen Stellvertreter kann das im Ernstfall bedeuten, dass er in laufende Prozesse nicht eingeweiht wurde und ihm relevante Informationen für die Führung des Betriebes fehlen. Wichtig ist es daher, nicht nur für eine Ersatzperson in der Krise zu sorgen und sie mit den erforderlichen Kompetenzen zu versehen. Vielmehr muss sie regelmäßig auf den Stand des aktuellen Wissens gebracht werden.
Tipp 7. Auch an spontane Situationen denken
Üblichweise wird der Stellvertreter nur kurzzeitig seinen Chef ersetzen müssen, ehe er wieder ins zweite Glied rückt. Doch selbst in dieser knappen Frist können sich besondere Chancen und Risiken einstellen. Wie sieht es etwa mit umfangreichen Investition aus, da die dringend benötigte Maschine gerade jetzt mit einem üppigen Rabatt angeboten wird? In welchem Budget sich eine Führungsperson bewegen darf, sollte vorher detailliert mit dem Chef des Unternehmens besprochen werden. Denn neben der reinen Geldausgabe sind damit zuweilen auch langfristige Auswirkungen auf die Firma verbunden. Wer das Wohl des Betriebes dabei nicht aufs Spiel setzen möchte, muss also besondere Vorsicht walten lassen. Zumal der Stellvertreter durchaus rechtlich in die Verantwortung genommen werden kann, wenn er Fehler begeht. Zu klären ist somit vorab, auf welchen finanziellen, rechtlichen und tatsächlichen Rahmen sich seine Verfügungsgewalt letztlich erstreckt.
Tipp 8. Umfangreiche Krisen in Betracht ziehen
Es mag für viele KMU schon schlimm genug sein, wenn der Chef einmal für längere Zeit krank ist. Doch besonders drastisch kann eine solche Situation ausfallen, wenn sie mit einer zusätzlichen Krise zusammentrifft. Ein Ernstfall, der nicht erst seit Corona in Erwägung gezogen muss. Hierbei gilt, dass schon im Vorfeld alle Verträge für Mitarbeiter, Zulieferer, Logistiker und andere Dienstleister so anzupassen sind, dass das eigene Unternehmen die Last an zu leistenden finanziellen Ausgaben und einzuhaltenden Absprachen zumindest ein wenig reduzieren kann. Gerade dort, wo die Lage unübersichtlich scheint, die Absatzzahlen sinken und im Notfall sogar mit der Freistellung von Angestellten gerechnet werden muss, sollte ebenso sinnvoll wie weitsichtig geplant werden. Übrigens können auch Versicherer diese Last übernehmen, indem sie speziell in solchen Situationen einspringen. Zudem müssen Förderungen durch die Länder- und Staatskassen nunmehr unverzüglich beantragt werden.
Tipp 9. Hilfe in jeder Notlage
Bislang wurde der Fall betrachtet, in dem der Chef temporär – und idealerweise nur für wenige Tage oder Wochen – seiner Arbeit nicht nachgehen kann. Ist sein Stellvertreter entsprech gut in sein künftiges Aufgabenfeld eingewiesen worden, wird er den Fortbestand des Unternehmens also gewährleisten können. Zumal ihm ja immer noch die Option zur Verfügung steht, seinen Chef zu kontaktieren und strategische Absprachen mit ihm gemeinsam zu treffen. Davon unterschieden werden muss jener Fall, in dem der Geschäftsführer für längere Zeit ausfällt oder in dem die Notlage durch seinen Stellvertreter alleine nicht mehr gemeistert werden kann. Im Rahmen der durch den Bund beschlossenen Sofortmaßnahmen zum Beginn der Corona-Krise wurden sogar staatliche Förderungen für alle Unternehmen freigegeben, die einen externen Berater temporär engagieren, um nicht in existenzielle Schwierigkeiten zu geraten. Auch diese Möglichkeit zur Rettung der KMU sollte erwogen werden.
Tipp 10. Den Notfallplan wiederholt einstudieren
Die zuvor gegebenen Tipps können dabei helfen, ein Unternehmen auch im Krisenfall optimal zu führen – gerade dann, wenn der Chef einmal längerfristig ausfällt. Doch alle erwähnten Ratschläge zielen ebenso darauf ab, möglichst wenig Zeit zu verlieren. Ein Ziel, das indes nur durch gut abgestimmte Mechanismen erreicht werden kann. Heißt konkret, dass es einerseits gilt, die hier erteilten Informationen in die Tat umzusetzen. Andererseits muss der Notfallplan aber auch wiederholt trainiert werden. Denn der Übernahme von Verantwortung und Verfügungsgewalt ist im spontanen Fall nicht jeder Stellvertreter gewachsen. Insbesondere dann nicht, wenn auch ihn die Krise ereilt, er künftig gänzlich ungewohnt von daheim aus agieren, Videokonferenzen durchführen und kreative Lösungen für sich einstellende Probleme finden muss. Das Durchführen des Notfallplans zeigt zudem vorhandene Schwächen im System auf, die vor einem wirklichen Notfall behoben werden müssen.